Ich würde gerne so unendlich viel schreiben und erzählen - nahezu täglich fallen mir neue Gedanken und Themen ein, über die ich gerne sprechen würde und auch gerne nach neusten Studien etc. aufklären würde und doch fehlt mir im Moment ein wenig die Zeit.
Aber die letzten Tage habe ich so viele Gedanken im Kopf und habe das Gefühl wenigstens über eine Sache schreiben zu müssen.
Eines vorweg - wir alle sind Menschen, wir alle machen Fehler, das einzig Wichtige ist, diese Fehler einzusehen, zu reflektieren und falls wir einander Unrecht tun, das Gespräch zu suchen, erklären warum wir so gehandelt haben und erklären, dass wir es besser machen möchten und sich vielleicht mit offenen Herzen dafür entschuldigen. - Deshalb - ich VERURTEILE NIEMANDEN dem mal Fehler passieren, passiert ist oder passieren wird. Auch ich bin ein Mensch, habe Bedürfnisse, die manchmal nicht mit den Bedürfnissen meines Kindes korrelieren und mache auch Fehler und dennoch arbeite ich IMMER daran, diese Fehler zu erkennen und bestmöglich zu optimieren.
Ich möchte hier meine Gedanken zu einem Thema wiedergeben und ein wenig die Sichtweise verändern.
Gestern habe ich ein für mich schockierendes Erlebnis beobachten können.
Es ist Nachmittag - kalt und nass draußen. Wir auf einem kleinen „spielplatzähnlichem“ Stück hier in unserem Dorf. Eine Mama mit zwei Kindern - das Mäuslein geschätzt knapp 3 Jahre alt, klettert alleine auf eine Rutsche. Ihre Mama kommt und zerrt sie mit den Worten: „Du sollst doch nicht alleine hier hochklettern, die letzten drei Male wolltest du dann nie runterrutschen. Lass das! Außerdem müssen wir deine Pampers machen, die stinkt.“, von der Rutsche.
Wir mit Paul (bald 2 Jahre - der diese Rutsche eigentlich nahezu alleine hochklettert und runterrutscht) ebenfalls auf der Rutsche. Ich habe wirklich gedacht ich traue meinen Ohren nicht. In diesen Sätzen war so viel abwertendes ihrem Kind gegenüber, das ich es kaum ertragen konnte.
Da kamen mir die Gedanken (es mag sein, dass diese Mama einen schlechten Tag hatte und es sonst ganz ganz anders macht - ich möchte nicht bewerten oder verurteilen - und doch gibt es - scheinbar mehr als wir denken, da man es immer wieder erlebt - Eltern, die diese Art mit ihren Kindern zu sprechen, täglich leben. Das kann ich einfach nicht verstehen. Woher kommt noch immer dieser Gedanke, dass wir als Eltern eine Hierarchieebene über unserem Kind stehen würden. Jeder Mensch ist gleichviel wert - unser Kind steht genau auf der gleichen Stufe wie wir, keiner ist mehr oder weniger wert.
Kinder sind weder unser Eigentum noch sollten sie uns unterlegen sein. Es ist unsere Aufgabe sie zu begleiten - ihnen Freiräume geben und ihnen bestmöglich als Beispiel begegnen.
Das beste Beispiel wäre hier wieder der Vergleich der Kommunikation unter Erwachsenen. Nun stellt man sich mal vor, die Frau würde ihren Mann aus dem Garten zerren, während er grillt und sagen, bisher hast du deinen Grillkäse eh nie gegessen, lass das mit dem Grillen, außerdem musst du sofort duschen - du stinkst!
Wäre dies ein wünschenswerter Umgang miteinander und wenn nein, warum nehmen wir uns das Recht heraus, so mit unseren Kindern zu reden?
Auch ich versuche Paul (leider viel zu oft) vor Gefahren zu beschützen und ertappe mich bei Worten, die ich eigentlich vermeiden möchte wie „vorsichtig“ oder hier kann „dies und jenes passieren, bitte langsam…“. Doch regelmäßig zu beobachten, dass Kinder als doof, tyrannisch oder sonst was bezeichnet werden, bricht mir wahrlich das Herz. Selbst meine Vorsicht beeinträchtigt Paul in seiner Entwicklung und auch im Selbstwertgefühl - obwohl ich ihn nur „schützen“ möchte - hier sehe ich meinen großen Fehler und mein Entwicklungspotenzial.
Aber warum soll ein fast 3 jähriges Kind nicht alleine auf eine Rutsche hochklettern? Warum ihr die Möglichkeit eines eventuellen Erfolges beim 4. Mal doch rutschen zu wollen, nehmen? Warum kommt hier körperliche Überlegenheit ins Spiel (von der Rutsche zerren) - sie kann doch solche Entscheidungen für sich ganz alleine treffen. Sie wird runtergezogen, es wird über ihre Misserfolge gesprochen, sie wird weder bestärkt noch unterstützt oder liebevoll beim eventuellen nicht rutschen wollen begleitet.
Und dann kommt noch das Missbrauchen von Schamgefühl dazu - Deine Pampers stinkt - vor anderen Kindern auf einem Spielplatz. Und die Krönung, ihr wurde die Pampers mitten auf dem Platz gewechselt, wie auch schon vorher erwähnt, war es nass und kalt und dann kamen wieder Worte die mir wehtaten - „Hör auf dich zu wehren.“ - „Du willst doch nicht stinken“…
Diesesmal war ich leider zu gelähmt, um etwas zu sagen, aber ich fand das entwürdigend und hätte auch gerne auf eine liebevolle Art und Weise die Mama darauf hingewiesen, aber dafür fehlten mir in dem Augenblick einfach die wohlwollend und nett verpackten Worte, darauf hinzuweisen, ohne zurechtweisend zu klingen.
Kinder sind kleine Menschen, sie haben genau wie wir die Gefühle wie Scham, Wut, Trauer, Verzweiflung… Stellt man es sich umgekehrt vor ein Ehemann/-frau würde genau diese Sache mit uns machen - wären wir mit diesem Verhalten noch lange ein Paar? Vermutlich nicht - und hier kommt das Gefährlichste - für Kinder sind wir ihr Leben, für sie ist absolut ALLES was wir machen richtig, im Umkehrschluss ist das was sie gerade fühlen oder empfinden für sie dann falsch - d.h. sie lernen so nach und nach nicht mehr ihren Gefühlen, ihrem Mut ihrer Intuition zu folgen und werden so nicht nur unselbstständig, sondern verlieren auch noch jegliches Gefühl für sich selbst und ihr Selbstwertgefühl sinkt, was wie bei vielen von uns Erwachsenen zu beobachten ist zu einer Art Vernebelung der Gefühle, Emotionen etc. und zur Unzufriedenheit führt.
Ja auch kleine Kinder haben schon Schamgefühle. Hier wurde so viel verletzendes für eine Kinderseele gesagt, dass ich wirklich lange über diese Geschichte nachdenke.
Ich bin der Meinung, wir müssen nicht in solche Situationen unserer Kinder eingreifen, wenn sie uns nicht gefährlich erscheinen. Dieses Mädchen hat in 5 Minuten so an Selbstwertgefühl verloren, Mut wurde ihr genommen und die Möglichkeit einen für sie großen Erfolg zu erreichen wurde unterbunden und für die kleine Maus, hat ihre Mama genau richtig gehandelt und ihr eigenes Verhalten damit unterbewusst als falsch wahrgenommen.
Zudem wurde sie weggezerrt und ihr mit Worten wehgetan. Ein Kind in dem Alter möchte selbstverständlich nicht stinken - ein Kind in dem Alter kann schnell Probleme mit Ausscheidungen entwickeln, warum dann so unsensibel mit dem Thema umgehen und dann noch das Gefühl vor anderen Kindern blank, hilflos auf einer kalten, nassen Bank liegen und keinerlei Entscheidungsmacht über den eigenen kleinen Körper zu besitzen.
So viel - meiner Meinung nach - trauriges Verhalten gegenüber einem Kind, dass ich absolut nicht verstehen kann. Ich hasse Machtmissbrauch von Erwachsenen. Das sind harte Worte, selbstverständlich klappt das nicht in allen Fällen, bei wirklichen Gefahren greifen wir auch mit unserer überlegenen „Macht“ ein - z.B. an der Straße etc. aber bei solchen kleinen Situationen kann man wirklich beginnen, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Und selbst, wenn wir es damals selbst so erlebt haben, heißt das nicht, dass man es mit seinen eigenen Kindern genauso machen muss!!!
Paul darf über seinen Körper selbst bestimmen. Er darf bestimmen, was er essen möchte, wieviel er essen möchte, wann er essen möchte, wann er wieviel trinkt (auch wenn das zum Teil Herausforderungen für uns bereit hält, mit vielen Kompromissen und vielen gemeinsamen Gesprächen zusammenhängt - was wiederrum NATÜRLICH anstrengender als ein anderer Weg, wenn man sich einfach über das Bedürfnis des Kindes hinwegsetzt und den einfachen Weg geht). Wir versuchen jeden Tag aufs neue Kleinigkeiten wie Anziehen, Zähne putzen und Pampers wechseln spielerisch zu integrieren. Hier gibt es oft Situationen in denen mein Wunsch und Pauls ganz ganz stark auseinander geht und wir versuchen ihm wirklich nie überlegen die Situation zu beherrschen, manches kostet unfassbar viel Zeit, manches unfassbar viel Geduld und ja auch unsere Nerven sind manchmal strapaziert. Hier wägen wir ab - ist es eine Situation die ihm schadet oder gefährlich werden kann, wenn nein, sind wir die Erwachsenen und sollten so stark sein diese Faktoren für unsere Kinder aufzubringen, auch wenn es oft viel viel Kraft und Nerven kostet. Ja, manchmal haben wir Ablenkungsstrategien wie eine kurze Folge Bobo gucken, wenn es gar nicht anders geht, aber wie oft flitzt Paul entweder im Pyjama, Unterhemd oder Pampers durch die Gegend bis wir Kompromisse finden - und die gehen tatsächlich auch die Kleinsten schon oft ein und noch faszinierender ist, sie bringen zum Teil schon selbst Ideen mit ein - so wie Paul sich manchmal von ganz allein dann ein Spielzeug schnappt und mit zum Esstisch nimmt. Die ersten Erfolge scheinen auch schon zu kommen, indem er viele Sachen schon so unfassbar gut erträgt, wenn etwas gerade nicht geht wie er möchte und man es ihm aber ganz ruhig erklärt, warum.
Der Text soll ein wenig zum Nachdenken anregen, Hinterfragen und auch Motivieren. Wir alle können unsere Kinder eigene kleine Menschen sein lassen, die ihre Bedürfnisse, Gefühle, ihren Körper und sich selbst achten - aber nur wenn sie von Beginn an erfahren, dass wir sie achten mit allen Farben, Facetten, Gefühlen, Emotionen und Formen.
Ich sage nicht, dass es leicht ist, aber das Richtige ist selten die leichteste Variante!
