Sei du selbst. Sei anders.

Worte, die ich mittlerweile ohne Probleme aussprechen, verstehen und lieben kann.

 

Es war ein langer steiniger, aber auch ein niemals mehr endender Weg. Der Weg zur Selbstliebe, zur Selbstannahme und Selbstakzeptanz.

 

Schon als Kind, habe ich mich oft „anders“, „falsch“ einfach irgendwie nicht richtig gefühlt. Das hat sich lange durch mein Leben gezogen. Ich war eher ruhig und schüchtern, habe zwar schnell Anschluss gefunden, aber war meist eher unauffällig, wenn man mich nicht kannte.

 

Ich habe 19 Jahre meines Lebens in einem Verein getanzt. Ich habe es geliebt und auch meine Tanzgruppe war mir unglaublich wichtig, jeder einzelne von ihnen war besonders und doch habe ich mich nie 100 % als Teil dieser Gruppe sehen können - was nicht an den anderen gelegen hat - sondern an mir. Sie sind oft im Anschluss feiern gegangen - mir war einfach nahezu nie der Sinn danach. Generell, während viele meiner Freunde in der Jugend in Clubs und auf Partys unterwegs waren, war ich froh schon Marcus so früh an meiner Seite gefunden zu haben. Er hat es wie ich vorgezogen in ruhigen Runden mit Freunden zusammenzusitzen oder auch einfach nur einen gemütlichen Spieleabend mit meiner Oma zu verbringen. Damals hatte ich ständig das Gefühl etwas zu verpassen, aber ich konnte und wollte selten raus in zu große Menschenmengen. Was auch heute noch so ist - große Partys sind einfach nicht meins, auch Städte wie Bangkok sind völlig überfordernd für mich - zwar total spannend aber energieraubend :-D

 

Mittlerweile kenne ich mich und verstehe mich. Ich bin ein hochsensibler Mensch. Ich weiß nicht ob sich der ein oder andere von euch schon einmal mit diesem Thema beschäftigt hat und die Indikatoren dafür kennt - darüber schreibe ich gerne gesondert noch einmal :-) Laute Geräusche, gleichzeitig Gespräche, verschiedene Gerüche, Alkohol, Lichter etc. das war und ist zu viel für mich. Das waren Momente die mir statt Energie gaben ganz viel nahmen und ich immer einige Zeit brauchte um mich davon zu erholen. Ich war ständig geplagt von Müdigkeit, weil viele Situationen, denen ich mich aussetzte, um dazuzugehören und Dinge zu unternehmen die meinem Alter und den Interessen meiner Freunde und Mitmenschen entsprachen, mich in Stress versetzten. Damals konnte ich das nicht verstehen. Mittlerweile kann ich da sehr verständnisvoll mit mir umgehen.

 

Ich weiß noch wie zu jedem in der Tanzgruppe besondere Eigenschaften beim Weihnachtswichteln gesagt wurden und meine war, „Casey ist harmoniebedürftig“. Puh als Teenager irgendwie keine coole Eigenschaft - es klang für mich damals negativ - dabei weiß ich mittlerweile, dass es absolut positiv ist und ich liebe diese Eigenschaft an mir. Ja ich bin unglaublich harmoniebedürftig. Genau wie Marcus und Paul auch. Streit und Uneinigkeiten nehmen uns unglaublich mit. Negative Energie spüren wir sehr deutlich und können unsere Positive dann nur bis zu einem gewissen Grad verteidigen bis auch wir uns oftmals von Negativem mitreißen lassen. Ich nehme mir sehr Vieles schnell zu Herzen, kann lange nicht von Themen loslassen die mich beschäftigen und die mich aus der Bahn werfen (da reicht manchmal schon ein Film um mich einige Tage zu beschäftigen). Ich werde schnell nervös, wenn ich zu viele Aufgaben auf einmal bewältigen soll oder mich beobachtet fühle. Ich habe eigentlich mein ganzes Leben Nachrichten im TV vermieden, mir gehen zu viele negative Themen so ans Herz, dass ich nicht schlafen kann. Ich brauche manchmal Tage um mich einfach mal von allem zurückzuziehen (damit meine ich nicht meine Familie ;-)) Zu viele Termine in einem kurzen Zeitraum versetzen mich oft in Unruhe. Ich liebe Meditationen, Atemübungen, Persönlichkeitsentwicklungen, Yoga und Spiritualität. All das sind Dinge für die ich mich ständig geschämt habe. All das wusste ich früher nicht. Doch jetzt kann ich mich für meine Eigenschaften akzeptieren, kann meine Gefühle, Gedanken und Ängste reflektieren und noch besser aus Selbstliebe zu mir stehen und NEIN sagen. Sagen, wann ich etwas nicht möchte oder meine Grenzen erreicht sind. Und ja sagen zu den Dingen die ich liebe, die mich stärken, mir Kraft und Mut geben und mich einfach ausmachen :-) Und wisst ihr was, das fühlt sich unglaublich gut an.

 

Mir wurde vor kurzem gesagt, dass ich polarisiere - WOW, im ersten Moment irgendwie ein Schlag ins Gesicht und rückblickend so wahr und gut. Ja ich möchte in die andere Richtung als viele, ich möchte mich auf eine gewisse Art und Weise abheben, ich möchte ehrlich sein und ich möchte andere motivieren und stärken, das Gleiche zu tun, denn nur so kann ich ganz bei mir, meiner Familie und all den schönen Dingen im Leben sein und mich gut fühlen. Denn nichts ist für mich schöner als Ehrlichkeit zu sich selbst, Offenheit und Motivation gegenüber anderen. Kann schon sein, dass ich damit ab und zu in manchen Kreisen eine gewisse Spannung erzeuge, weil ich mich mit meiner Einstellung ein wenig von der Norm bzw. dem was den Meisten von uns beigebracht wurde wegbewege, dadurch bin ich natürlich ein wenig gegensätzlich. Ich bin aber auch so offen, dass ich andere Denkweisen, Ansätze und Meinungen akzeptieren kann ohne dafür zu verurteilen, ich sage nicht, dass mein Ansatz der einzig Richtige ist, es gibt so viele Möglichkeiten sein Leben zu gestalten und ich würde niemals meine Meinung aufzwängen wollen oder andere aufgrund ihrer Meinung als schlecht ansehen. Früher waren solche Aussagen bzw. natürlich im ersten Moment auch jetzt noch für mich sehr schmerzhaft - aber ich habe mich dorthin gearbeitet über diese Dinge nachzudenken, Kritik (sofern sie konstruktiv und nicht nur stures Beleidigen ist) zu überdenken und zu schauen was daran wahr ist und was ich für mich eventuell ändern kann und wenn ich der Meinung bin, es stimmt so nicht, mir das nicht weiter zu Herzen zu nehmen.

 

Ich liebe mich mittlerweile dafür. Für meine ruhige reflektierende Art. Ich liebe mich mit meinen Ecken und Kanten und habe erkannt, dass jeder Mensch Fehler macht und man nicht im übertriebenen Perfektionismus leben muss und ich nicht von jedem gemocht werden muss. Wir alle machen jeden Tag sooo viele Fehler und das ist verdammt gut so. Denn nur so können wir jeden Tag ein Stück mehr zu dem Menschen wachsen der wir sein möchten und uns mit jedem Fehler den wir einsehen, mehr zu dem Menschen entwickeln, der wir sein möchten.

 

Ich schäme mich nicht mehr dafür anders zu sein, irgendwie sensibler als die Meisten und genau das müssen wir von Beginn an unseren Kindern beibringen. Aber dazu gehört eben auch die harte Arbeit, auf sich selbst zu schauen, sich mit sich selbst zu beschäftigen und vor allem sich selbst anzunehmen mit all den positiven Charaktereigenschaften aber auch denen die wir eher als „anders und nicht so gut“ empfinden. Genauso leben wir unseren Kindern dieses wichtige Thema vor und können den Blick auf sie wenden, ihnen Verständnis für sich selbst beibringen und ihnen zeigen, dass Fehler Chancen sind und nichts anderes. Dass wir alle nicht perfekt sind und es in Ordnung ist, wenn man zum Beispiel auch mal einen Tag Auszeit braucht und nicht jeden Tag mit Freunden zusammen sein möchte.

 

Wir sind nicht hier um perfekt zu sein, sondern um zu wachsen und leben. Lasst es unseren Kindern einfach leicht für ihr Leben machen :-) Lasst eure Kinder anders sein. Lasst sie sensibler sein als andere, lasst sie wilder sein als andere, lasst sie ruhiger sein als andere, lasst sie impulsiver sein als andere, lasst sie chaotischer sein als andere, lasst sie willenstärker sein als andere, lasst sie gefühlsstärker sein als andere, lasst sie aus der Reihe tanzen, unterstützt sie wo ihr nur könnt und ihr werdet es jetzt vielleicht nicht immer leicht haben, aber großen Dank und Liebe erfahren wenn sie groß sind :-)

 

Wie auch die Hattie Studie in der Pädagogik zeigt, dass die Lehrer-Schülerbeziehung der maßgebliche Teil für Lernerfolg ist und nicht die Unterrichtsqualität alleine. So lässt sich auch in der Familie sagen, dass Beziehung immer vor Erziehung stehen sollte. Steht hinter euren Kindern, stärkt Ihnen den Rücken und zeigt, dass ihr immer für sie da seid, anstatt euch, durch gesellschaftlich gewünschte und konforme Resultate einer Erziehung, dem Handeln gegenüber euren Kinder zu beeinflussen. Es kann nie zu viel Liebe geben! Es kann nie liebevoll genug miteinander gesprochen werden! Es kann nie genug getröstet und verstanden werden!

(Quelle: Hattie (2013): Lernen sichtbar machen)

 

Wir sollten individuelle, kritische, selbstdenkende und vor allem liebende und reflektierte eigenständige Menschen ins Leben begleiten die sich selbst, ihre Gefühle und Gedanken kennen, die von Beginn an auf ihre Weise perfekt sind und die Welt für alle zu einem besseren Ort machen, weil sie durch das Stärken zuhause genug Liebe für sich und die Welt mitbringen :-)

 

Fühlt euch umarmt :-)